Interview Kerstin Müller (Sprachtrainerin)

Ein weiteres Interview steht an: mit Kerstin Müller, Sprecherzieherin und Atempädagogin aus Heilbronn. Sie gibt Tipps zu Kommunikation, und speziell zu Auftritten vor Publikum.

Für Dich habe ich sie zum Thema Vortrag halten befragt.

Hallo Frau Müller. Schön, dass Sie sich für dieses Interview Zeit nehmen. Stellen Sie sich bitte einmal kurz vor.

Hallo Nic. Mach ich doch gerne!

Mich fasziniert die menschliche Stimme, die Gestaltung gesprochener Sprache, die Struktur der Sprache, kurz, die vielen Facetten der mündlichen Kommunikation! Als Sprecherzieherin und Atempädagogin möchte ich anderen Menschen dabei helfen, ihre Rede- und Sprechfähigkeit zu verbessern und ihr kommunikatives Potential auszuschöpfen. Ein Bestandteil davon ist auch die Hilfe im Hinblick auf Vorträge oder Reden.

Dann bleiben wir gleich mal beim Kernthema: Was macht denn für Sie einen guten Vortrag, und genauer gesagt, einen Wissensvortrag, aus? Sie können da gerne mal ganz allgemein Dinge in den Raum werfen.

Also an oberster Stelle steht für mich die fachliche Glaubwürdigkeit!

Als Gegenstück sind daher Blender ein No-Go. Der Auftritt vortragende Person muss stimmig sein. (überlegt) Ein guter Aufbau und ein „Mitnehmen“ der Zuhörer ist auch noch ganz gut…Der Stil ist mir jetzt nicht so wichtig, also ob es eher ein charismatischer oder ein unterkühlter Stil ist. (kurze Pause)

Überzeugen, nicht überreden

Nochmal zurück zur Glaubwürdigkeit. Da spielen für mich so Begriffe wie „integer“ oder auch „leidenschaftlich“ eine Rolle. Ich möchte überzeugt, aber nicht überredet werden. Ich möchte bei einem Vortrag das Motiv erkennen: Also warum erzählt der Vortragende das?

Kurze Zwischenfrage: Was würden Sie also speziell Schülern oder Studenten hinsichtlich der Glaubwürdigkeit raten?

Bei Schülern oder Studenten denke ich, dass hier die Aufrichtigkeit und eine gewisse Neugier und Offenheit wichtig ist.

Auch wenn mich ein Thema möglicherweise nicht so interessiert, möchte ich für einen guten Vortrag trotzdem sehen, dass man sich ins Thema eingearbeitet hat und bereit war, sich damit zu beschäftigen und es sich nicht einfach bequem gemacht hat.

Okay, ja, das deckt sich auch mit den Ratschlägen von einem meiner Profs, den ich schon interviewt habe. Er hat auch gemeint, dass man gerade die Bereitschaft des Einarbeitens ins Thema im Vortrag merkt…das ist dann die fachliche Glaubwürdigkeit.

Kommen wir zum Feld der nonverbalen Kommunikation. Wie sieht denn aus Ihrer Sicht eine gute Körpersprache während eines Vortrags aus? Gibt es da die typische Redner-Pose?

Ich fange mal mit den No-Go Dingen an. Intime Gesten oder schon ein betont breitbeiniger Stand bei Männern geht gar nicht. Dazu ist das Bohren in Nase oder Ohren nicht toll.

Was mir wichtig ist, ist die Einbeziehung des Publikums, mindestens über Gesten und Blicke. Also eine Art Verbindung mit dem Publikum herstellen und so das Gefühl geben, dass man selbst und eben auch das Publikum präsent ist.

Wo ich kein großer Fan von bin, ist die Pauschalisierung von Gesten. Also es völlig zu verbieten, die Arme zu verschränken, weil das immer Ablehnung ausdrücken würde. Das ist mir zu einfach und das muss auch nicht immer stimmen.

Vortragsbeginn: erstmal ankommen!

Für den Start eines Vortrags empfehle ich zudem, erstmal „anzukommen“, also sich vors Publikum zu stellen und dann einmal durchzuschnaufen, am besten noch warten bis alle ruhig sind und erst dann anfangen zu sprechen, anstatt schon los zu erzählen ohne wirklich vorne zu sein.

Ein moderner Begriff ist das „Storytelling“ bei Vorträgen. Was verstehst Du darunter und wie kann man das gut umsetzen?

Storytelling ist mir zu schwammig. Eher greifbar ist der bekannte Rote Faden. Gerade zum Grundaufbau eines Vortrags gehört für mich, Wegweiser aufzustellen, indem ich etwa am Anfang des Vortrags ganz simpel dem Publikum das Thema und die Gliederung sage.

Bei den Überleitungen während des Vortrags nenne ich dann jeweils nochmal das nächstfolgende Kapitel. Und gerade auch bei den Übergängen: Nutze Pausen! Pausen kannst Du zum einen eben als Gliederungsmittel nutzen, aber sie sind auch wichtig, um Deinen Zuhörern Zeit zum Nachdenken zu geben.

Nutze Pausen!

Bei der Struktur orientiere ich mich an den Zuhörern. Ich versuche eine „charmante“ Anordnung und lockere, wenn es die Umstände zulassen, den Ablauf mit Anekdoten oder einer direkten Interaktion mit dem Publikum auf.

Bei was ich mich hingegen verweigere ist der „Eye Catcher“ zu Beginn! (Nic guckt irritiert) Ja, ich finde, es muss nicht immer am Anfang ne Bombe platzen. Ich versuche da vor allem, die Leute einzusammeln, z.B. eben abzuwarten bis alle zuhören und ruhig sind. Ich fange wirklich nie an zu sprechen, ohne dass alle zuhören! Das ist wie eine Forderung. Denn sonst muss ich ja auch den Vortrag nicht halten, wenn es eh egal ist, ob ich rede oder nicht.

Nun sind Sie ja auch Sprachtrainerin. Was ist in Sachen Stimme und Aussprache bei Vorträgen wichtig?

Um es kurz zu machen: Mund auf. Atemrhythmus beachten. Nach vorne sprechen.

Diese Dinge kannst Du vor dem Vortrag trainieren, darauf achten und dann bewusst machen. Also deutlich sprechen; meinen, was man sagt; und nicht nuscheln. Denn sonst muss man sich schon fragen, ob der Vortragende überhaupt was zu sagen hat. Wahrscheinlich schon, aber man merkt‘s und hört‘s nicht…

Was sind Ihre Ratschläge um mit Lampenfieber vor einem Vortrag zurecht zu kommen? Für mich ist es so, dass ich einen gewissen Grad an Lampenfiber vor einem Vortrag sogar brauche. Denn dadurch stellt sich für mich das Gefühl der Ernsthaftigkeit ein.

Bis zu einem gewissen Punkt ist Lampenfieber förderlich, ja. Denn so messe ich dem Vortrag eine Bedeutung bei. Bei einigen Symptomen wie schwitzige Hände oder so heißt es aus meiner Sicht einfach zulassen, atmen und vielleicht ein bisschen bewegen. Also einfach mal vorne die Position leicht wechseln, einen Schritt nach links oder rechts machen, ohne zu sehr zu zappeln.

Gut ist auch, wenn Du Dich nicht an einen ganzen vorgefertigten Text klammerst, sondern nur Hilfskonstruktionen für Notsituationen zu haben. Zum Beispiel kannst Du die ersten drei Sätze auswendig lernen oder Dir einige wenige Notizen auf Moderationskarten zu machen. Nutze auch andere Möglichkeiten vor Leuten zu sprechen als Übung! So gewinnst Du auch sehr an Sicherheit.

Danke für die vielen Tipps und auch danke für das Interview, Frau Müller.

Gerne!

Bildquelle

Titelbild: abcdef

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