Bei jeder Art von Prüfungssituation bin ich angespannt. Richtig angespannt. Vor allem am Tag der Prüfung. Da kann ich meistens nix vorher frühstücken. Doch sobald ich in dem Raum der Prüfung sitze, im Fall einer Klausur, oder stehe, im Fall eines Vortrags werde ich in aller Regel ruhig und die Aufregung bzw. das Lampenfieber ist bei mir verschwunden.
Warum bin ich trotz meiner vielen Jahre im Schul- und Uni-Umfeld noch immer gestresst bei sochlen Anlässen?
Und warum macht mir persönlich das aber gar nix mehr aus, sondern ich würde die Anspannung sogar vermissen, wenn sie nicht da wäre?
In diesem Beitrag möchte ich:
- Dir ein paar Hintergrundinfos zum Thema Lampenfieber und damit Stress geben
- Dir natürlich auch einige Hilfestellungen gegen „schlechten“ Stress mit auf den Weg geben
Folgende Tipps gegen die Angst und das Lampenfieber gebe ich Dir:
Inhalt
Anspannung ja, Angst nein
Der entscheidende Punkt aus meiner Sicht, um das Lampenfieber zu bekämpfen, ist folgender:
Der Hintergrund ist grob gesagt die Art von Stress, mit dem Du konfrontiert bist.
positive Anspannung fördert Leistung
Der „guten“ Stress, der leistungsfördernd ist, ist der sogenannte Eustress. Das ist bei mir die Anspannung. Dann gibt es aber auch „schlechten“ Stress, der leistungsmindernd ist und als Distress bezeichnet wird. Diese Art des Stresses assoziiere ich mit Angst.
Hintergrundinfo: Stress
Ob die eine oder die andere Form des Stresses zutrifft, so die Stresstheorie nach Lazarus, hängt von der individuellen Bewertung der Situation und deren Bedrohungspotential ab.
In einem ersten Schritt bewertet das Individuum, ob eine relevante Bedrohung vorliegt. Sollte das der Fall sein, wird eine zweite Bewertung vorgenommen, nämlich die Bewertung, ob die Situation mit den vorhandenen Ressourcen zu bewältigen ist.
Ein „ja“ führt dann zu Eustress, ein „nein“ zu Distress.
Um mit Eustress fertig zu werden, versucht man, das Problem mit den angesprochenen Ressourcen zu lösen.
Um mit dem Distress klar zu kommen, versucht man, die Emotionen unter Kontrolle zu bringen.
Für eine gute Stressbewältigung ist häufig beides notwendig.
Stressauslöser, die individuell bewertet werden, führen also zu Stress, wenn Du eine Diskrepanz zwischen Deinen persönlichen, sozialen, instrumentellen und strukturellen Ressourcen und den Anforderungen der Umwelt erlebst. So hab ich das an der Uni in Personal und Organisation gelernt.
Angewendet auf die Situation des Vortrags ist der Vortrag bzw. das Halten des Vortrags Dein Problem und da es eine Prüfungssituation mit Bewertung ist, wird diese Situation als Bedrohung wahrgenommen und Du fragst Dich, ob und wie Du diese Bedrohung „gut“ meistern kannst. Das heißt, das Vortragen als Prüfungssituation erzeugt für Dich Stress.
Was kannst Du tun, um keinen „schlechten“ Stress oder Angst zu haben?
Ziel ist es jetzt, dass Du keine Angst vor dem Vortrag und damit der Prüfungssituation hast, sondern sogar die leistungsfördernde Art des Stresses für Dich nutzen kannst.
Bedenke: Du hast die Ressourcen
Du hast Dich auf den Vortrag vorbereitet. Du hast den Vortrag geübt. Du bist gut informiert. Du bist in der Regel so gut informiert wie sonst nur der Dozent im Raum. Du bist auf Fragen vorbereitet, eben weil Du Dich mit dem Thema beschäftigt hast. Du hast bzw. wirst alle Formalia eingehalten (Zeit, Medium, Foliegestaltung,…).
Dieses Klarmachen gehört für mich dazu, meine Emotionen zu bewältigen. Denn so fühle ich mich sicherer. Die Anspannung bleibt, nur die Angst vor Nix-Können soll verschwinden (Disstress entgegenwirken und Eustress zulassen).
Die Anspannung darf gerne „bleiben“, denn sie führt dazu, dass Du hellwach bist. Sie führt zu voller Konzentration, eben weil Dir bewusst ist, dass Du in einer Prüfungssituation bist und nun das Problem lösen sollst.
Bedenke: Dein Publikum ist nicht Dein Feind
Ebenso zur Kontrolle der Emotionen gehört, die Angst vor Deinem Publikum zu verlieren oder sie gar nicht erst zu bekommen.
Mache Dir dazu bewusst, dass Du in aller Regel im Umfeld von Schule und Studium Dein Publikum kennst. Du spricht vor Deiner Klasse, vor Deinem Seminarkurs, vor Deinem Lehrer/Dozent. Das heißt, niemand will Dir hier etwas Böses (hoffentlich!).
Auch kleinere Hänger sind hier nicht schlimm. Gerade auch, weil Dein Publikum diese Situation des Vortragens ziemlich sicher auch kennt. Lehrer/innen oder Dozent/innen sogar jeden Tag aufs Neue!
Solltest Du in einer speziellen Prüfungssituation vor einem unbekannten Prüfer sein (z.B. von einer anderen Schule oder Uni), dann gilt hier auch zumindest der Grundsatz, dass diese Dir auch nichts Böses wollen. Lege in so einer Situation Deinen Fokus darauf, dass Du gut vorbereitet bist (siehe oben) und dass Du diesen Unbekannten nun eine tolle „Vorstellung“ bieten wirst.
Bedenke: Du sollst vorher üben
Einer der wichtigsten Bausteine ist, auch wenn es sich neunmalklug anhört, die Übung.
Durch die Übung merkst Du, wo die Formulierung nicht so einfach ist, wo Du an den Übergängen hängst oder wo ein schwieriges Wort für „Verhaspelungsgefahr“ sorgt. Du bekommst ein Gespür dafür, wo eine kurze Pause sich richtig anfühlt, bevor Du zur nächsten Folie klickst. Dir wird klar, ob Dir die Zeit reicht.
Durch mehrmaliges Üben bist Du bereit, nahezu frei vorzutragen. Die Übung führt bei mir dazu, dass ich die einzelnen Folien vor meinem inneren Auge präsent habe. Ich kenne meinen Vortrag. Somit bin ich in der Lage, den Vortrag auch ohne direktes Durchklicken der Folien vorab im Kopf nochmals durchzugehen, manche nennen das auch visualisieren (siehe unten).
Trotz der Übung nehme ich im Übrigen, wie in der Case Study beschrieben, meine Notizen gerne als Notanker mit zum Vortrag (= „ich hab die Ressourcen!“).
Zusammenfassende Tipps
- Ziel: Anspannung nutzen, Angst soll verschwinden (Disstress entgegenwirken und Eustress zulassen).
- Klarmachen: Du hast die Ressourcen!
- Klarmachen: Dein Publikum ist nicht der Feind.
- Mit der Übung kommt die Sicherheit und die Angst geht.
Lampenfieber: Das schreiben andere Leute
Gerade bei einem Thema, das wirklich viele bewegt, möchte ich Dir noch einige weitere Lese- und Linktipps zu eben diesem Thema geben.
Meine Infos beruhen vor allem auf eigener Erfahrung und der erwähnten Vorlesung Personal und Organisation in meinem Studiengang Politik- und Verwaltungswissenschaften an der Uni Konstanz.
Doch auch andere Blogger sowie Zeitungen oder Wissensmagazine beschäftigten sich mit dem Thema Lampenfieber.
Hier ein kurzer Abriss der Meinungen und die Links dazu.
Tipps von Prof. Sven Jochem (Interview)
Die ersten Tipps kommen sogar noch von meinem Blog hier, und zwar von Sven Jochem, einem Professor an meiner Uni, den ich zum Thema Präsentieren interviewt habe. Aus diesem Interview zwei Zitate zum Thema Lampenfieber und Nervosität. Gerade das zweite Zitat greift meinen Hauptpunkt (Anspannung ja bitte, Angst nein) gut auf:
„Die hohe Kunst des Vortragens ist es noch, wenn Sie auswendig vortragen, oder so frei es geht. Üben Sie, die Karteikarten liegen zu lassen. Wenn Sie statt der Karteikarten was in den Händen gegen die Nervosität brauchen, dann zum Beispiel einen Pointer oder Presenter. Ich hatte manchmal einen Kugelschreiber in der Hand, mit dem hab‘ ich aber oft geklickt und am Ende hatte ich lauter Punkte auf der Hand. Da ist so ein Pointer oder so ein Presenter doch besser.“
„Versuchen Sie vor dem Vortrag, die Nervosität in produktive Bahnen zu lenken. Nervosität ist ganz normal vor einem Vortrag, der ja meist auch eine Prüfungssituation mit Benotung ist. Da ist es klar, dass man nervös ist. Ich denke, eine Grundanspannung ist sogar förderlich für die Leistung. Sagen Sie sich zum Beispiel: It’s showtime! Vergegenwärtigen Sie sich, dass Sie gut vorbereitet sind und jetzt für diese 15 Minuten eine Art Schauspieler sind. Sie sind in dem Moment der Wissensvermittler, der über das Thema bescheid weiß.“
Blogger Rhetorikpirat
Der Rhetorikpirat Alexander Schröder stellt in seinem Blog-Artikel einen der meist angesehenen TED Talks näher vor. Er beschäftigt sich mit dem Thema des Power Posings gegen Lampenfieber.
Amy Cuddy stellt in ihrem TED Talk vor, dass gewisse Gesten (Power Posings) den Hormonhaushalt so beeinflussen können, dass man unter Drucksituationen (wie eben einer Prüfung, eines Referats oder auch eines Vorstellungsgesprächs) selbstbewusster und damit weniger angespannt ist.
Interessant an Alex‘ Artikel sind dessen Anmerkung zu Cuddys TED Talk an sich, welche ich auch teile. Denn wie Alex richtig beschreibt: Es ist ein richtig tolles Beispiel für einen sehr guten wissenschaftlichen Vortrag. Cuddy bringt eben nicht nur Fakten, sondern schafft es, diese auch richtig ansprechend rüberzubringen! Infotainment in seiner positiven Form.
Meine Meinung: Der Inhalt von Cuddy ist so naja. Überzeugt bin ich von Power Posing vor dem Vortrag nicht. Viel wichtiger und aus meiner Sicht hilfreicher finde ich, während des Vortrags auf eine offene, posivie und „power-ausstrahlende“ Körperhaltung zu achten.
Link zum YouTube Video Amy Cuddy
Rhetorikpirat: Powerposing gegen Lampenfieber
karrierebibel.de
Auf karrierebibel.de findet sich auch ein sehr guter Artikel über eben diese Problematik, welcher auch einer meiner Infoquellen für diesen Beitrag war.
Jochen Mai schreibt in diesem Artikel dazu noch explizit fünf Tipps auf, um mit Lampenfieber fertig zu werden. Im Schnelldurchlauf sind das: Vorlaufzeit im Raum des Vortrags einplanen, mit der Umgebung vertraut machen, den Vortrag vorab visualisieren, sich Mut zusprechen und Verbündete im Publikum suchen.
Karrierebibel: 5 Tipps gegen Lampenfieber
ZEIT.de : So überwindet man Lampenfieber
Im ZEIT Artikel von Susanne Schäfer wird auch der bekannte Punkt angesprochen, dass „Stress in der richtigen Dosis wach und konzentriert“ mache. Dazu solle man die Zuhörer als eine Gruppe begreifen, zu der man selbst gehört und mit denen man redet, und nicht die Gruppe als Feind sehen.
Als Übung gegen Lampenfieber wird hier angesprochen, die Angst nicht zu unterdrücken, sondern bewusst noch zu vergrößern, um so „mit den Symptomen [zu] experimentieren und [zu] lernen, diese zu beherrschen“. Weiter wird empfohlen, die Lampenfieber-Situation vorher zu simulieren. Im Grunde also die alte Weisheit von : üben, üben, üben.
ZEIT.de: So überwindet man Lampenfieber
Blog zeitzuleben.de: Das Lampenfieber ist Dein Freund
Andrea Joost rät auf dem Blog zeitzuleben.de dazu, das Lampenfieber aktiv zu begrüßen und führt dafür 5 Gründe an: Das Lampenfieber mache menschlich, es erweitere den Horizont, helfe dabei sich exzellent vorzubereiten, es führt dazu, sich dem Publikum zuzuwenden und es lässt Dich lebendiger rüber kommen.
Blog zeitzuleben.de: Das Lampenfieber ist Dein Freund
Quellen/Weiterlesen
Wikipedia: Stressmodell nach Lazarus
Dazu natürlich die gerade eben vorgestellten Artikel im Original…
Bildquelle
Titelbild: abcdef